April 21, 2005 4:55

Audiogames

Ich denke, man darf mit Fug und Recht behaupten, daß in der Videospiel-Branche die Entwicklung im Bereich Audio der Entwicklung von grafischen Belangen deutlich hinterher hinkt. Einigermaßen kann ich es noch nachvollziehen, daß sich Technologien, die Videospiele zum Beispiel fühlbar machen würden, also Force Feedback, nicht so recht durchgesetzt haben, da dies schließlich die Anschaffung neuer Peripherie-Geräte bedeuten würde und wahrscheinlich nicht so einfach umzusetzen wäre, würde man nicht gleich ganze Force-Feedback-Sessel oder ähnliches bauen. Eine Soundkarte hat hingegen jeder handelsübliche PC, meist sogar onboard und mit Raumklang. Aber selbst mit einfachem Stereosound ist sicherlich deutlich mehr möglich als heute geboten wird. Dabei meine ich mehrere Dinge: 1. Die Hintergrundmusik - Darüber braucht man sich eigentlich gar nicht unterhalten. Im Durchschnitts-Shooter bekommt man eigentlich nur den üblichen Billo-Techno oder schlechte, immer gleich klingende Hardrock-Mucke, wie von Linkin Park und anderen Ami-Kloppis heraus gewürgt, durch den Kopf geblasen. Jedes Spiel, welches man auch nur entfernt dem Adventure-Genre zuordnen könnte, wirkt so als hätte man es mit einem Casio-Keyboard aus dem Kaufhaus um die Ecke und allen faken Orchester-Instrumenten, die bei so einem Ding auf den Chip passen, vertont. Sport-Spiele sowie alles andere, von dem man meint, es auch an Menschen verkaufen zu müssen, die Videospielen ansonsten nicht so sehr zugeneigt sind und es vielleicht auch nur tun, weil es zu dem Lifestyle passen soll, den diese oder jene Zeitschrift gerade vorschreibt, werden vollgestopft mit den neuesten Auswürfen zusammengecasteter Pop-Bands, die sowieso schon an jeder Ecke für ihre Top40-Platzierung hausieren gehen müssen - Daß EA plant, ein eigenes Musiklabel für solch einen Müll zu gründen spricht meiner Meinung nach Bände. In Sachen dynamischer Hintergrundmusik, so scheint mir, hat sich seit iMuse auch nichts getan.
2. Die Umgebungsgeräusche. Ich glaube, mit der schlechten musikalischen Untermalung wird oftmals die noch mieserabelere Kulisse der Hintergrundgeräusche überdeckt. Egal ob man sich in einem Spiel in einer riesigen Kathedrale oder einem klaustrophobisch engen Flur bewegt, es klingt fast immer gleich. So authentisch die Räume und Landschaften grafisch auch dargestellt werden, das Hörerlebnis ist doch meist das gleiche, egal ob man in der Großstadt oder in der Wüste befindet, dabei weiß doch jedes Kind schon seit Alien, daß einen im Weltraum niemand schreien hört. Ähnlich ist es bei der Lautstärke: In der Nähe des in vielen Videospielen obligatorischen Wasserfalles wird man sein eigenes Wort nicht mehr verstehen können, tritt, wenn man bei klirrender Kälte in Windstiller Nacht einen zugefrorenen See betritt, ein Spannungsbruch auf, wird man ihm noch kilometerweit hören - in der Realität, aber nicht im Spiel.
3. Auch sind die Hintergrundgeräusche fast immer statisch, der Spieler interagiert einfach nicht mit seiner Umgebung: Poltert man schwer bewaffnet durch den Dschungel, wird es wahrscheinlich totenstill werden oder einige Tiere ihre Artgenossen warnen. Selbst wenn man dies selbst in einem Spiel zu hören bekommt, seine Gegner oder andere NPCs tun dies meistens nicht, sie halten ihre Ohren noch so verschlossen, auch wenn sie kilometerweit ‘sehen können‘. Solche Abläfe wie die Tarnung in den Umgebungsgeräschen oder die Möglichkeit, den Gegner durch Geräusche abzulenken, sind meist nur Spielen wie Splinter Cell oder MGS vorbehalten, in dessen Sneak-Genre so etwas einen Großteil des Spielprinzips ausmacht, oder den wenigen mit höchstem Aufwand produzierten Top-Titeln vorbehalten, wenn man von Rätsel-Einlagen a la Myst, wo man auf klingenden Gegenständen eine bestimmte Melodie spielen muß, einmal absieht. Ich denke, im Bereich Audio sind noch viele Möglichkeiten für innovative Konzepte und Spielideen ungenutzt. Statt krampfhaft zu versuchen, die neuesten Anzeige-Techniken ins Spiel zu bringen, sollten sich viele Entwickler-Studios bei dem wenigen Ausnahme-Titeln eine Scheibe abschneiden und neue interessante Hörerlebnisse schaffen. Wenn es nach mir ginge, sollte man jedes Videospiel auch mit geschlossenen Augen durchspielen können. Das würde sicherlich nicht nur die anspruchvolleren Spieler, die vom ganzen Einerlei genug haben, sondern auch die vielen sehbehinderten Menschen, die noch mehr als andere auf Unterhaltung in den eigenen vier Wänden angewiesen sind, freuen.
Es gibt tatsächlich eine kleine Plattform, wo für Sehbehinderte Computerspiele angeboten werden: audiogames.net. Dort findet man rein auditive Umsetzungen von Arcade-Klassikern wie PacMan, aber auch selbst entwickelte Ideen im Bereich von Adventure und Geschicklichkeitsspielen wie z. B. Super Deekout und Modifikationen für existierende Spiele wie AccessibleQuake. Ich empfehle auch den nicht sehbehinderten Leuten, dort einmal vorbei zu surfen und sich das eine oder andere Game in den Downloadmanager einzureihen! Aber Vorsicht, man stellt sich die Sache meist einfacher vor, als sie tatsächlich ist. Die anspruchvolleren Spiele stiften bei einem absolut ungeübten Gehör eine Menge Verwirrung, ich empfehle daher, mit den minimalistischeren Spielen zu beginnen. Die großen Spiele-Entwickler sollten vielleicht darüber nachdenken, ob ein extra Modus, der auf jegliche Grafik verzichtet und einen ausschließlich mit Hilfe des Gehörs durch die Level führt, nicht eventuell neue Käuferschichten ansprechen und die Wiederspielbarkeit signifikant verbessern könnte.
Aber auch im Bereich der Handhelds sind interessante Spiele denkbar, die auf teure kleine Displays verzichten könnten. Schaut man sich die vielen unsäglichen Midlets (Java-Spiele fürs Handy) an, so ist die Idee doch garnicht so abwegig, scheint mir. Ich würde jedenfalls all zu gern einmal in der Bahn so ein kippenschachtelgroßes Gerät aus der Tasche ziehen und mir während ich Buttons schrotte die gaffenden Leute anschauen.
Naja, wenn das hier beschriebene denn bald auch endlich klappt, können wir uns auch gern ainmal über Spracheingabe und ähnliches unterhalten - Obwohl, der DS macht das doch schon ganz gut! Löblich.

Author: nille | Permalink | Category: games