Audiogames
Ich denke, man darf mit Fug und Recht behaupten, daß in der
Videospiel-Branche die Entwicklung im Bereich Audio der Entwicklung von
grafischen Belangen deutlich hinterher hinkt. Einigermaßen kann ich
es noch nachvollziehen, daß sich Technologien, die Videospiele zum
Beispiel fühlbar machen würden, also Force Feedback, nicht so
recht durchgesetzt haben, da dies schließlich die Anschaffung neuer
Peripherie-Geräte bedeuten würde und wahrscheinlich nicht so
einfach umzusetzen wäre, würde man nicht gleich ganze
Force-Feedback-Sessel oder ähnliches bauen.
Eine Soundkarte hat hingegen jeder handelsübliche PC, meist sogar
onboard
und mit Raumklang. Aber selbst mit einfachem Stereosound ist sicherlich
deutlich mehr möglich als heute geboten wird. Dabei meine ich mehrere
Dinge: 1. Die Hintergrundmusik - Darüber braucht man sich eigentlich
gar nicht unterhalten. Im Durchschnitts-Shooter bekommt man eigentlich nur
den üblichen Billo-Techno oder schlechte, immer gleich klingende
Hardrock-Mucke, wie von Linkin Park und anderen Ami-Kloppis heraus
gewürgt,
durch den Kopf geblasen. Jedes Spiel, welches man auch nur entfernt dem
Adventure-Genre zuordnen könnte, wirkt so als hätte man es mit
einem Casio-Keyboard aus dem Kaufhaus um die Ecke und allen faken
Orchester-Instrumenten, die bei so einem Ding auf den Chip passen, vertont.
Sport-Spiele sowie alles andere, von dem man meint, es auch an
Menschen verkaufen zu müssen, die Videospielen ansonsten nicht so
sehr zugeneigt sind und es vielleicht auch nur tun, weil es zu dem Lifestyle
passen soll, den diese oder jene Zeitschrift gerade vorschreibt, werden
vollgestopft mit den neuesten Auswürfen
zusammengecasteter Pop-Bands, die sowieso schon an jeder Ecke für ihre
Top40-Platzierung hausieren gehen müssen - Daß EA plant, ein
eigenes Musiklabel für solch einen Müll zu gründen spricht
meiner Meinung nach Bände. In Sachen dynamischer Hintergrundmusik, so
scheint mir, hat sich seit iMuse auch nichts getan.
2. Die Umgebungsgeräusche. Ich glaube, mit der schlechten musikalischen
Untermalung wird oftmals die noch mieserabelere Kulisse der
Hintergrundgeräusche überdeckt. Egal ob man sich in einem Spiel in
einer riesigen
Kathedrale oder einem klaustrophobisch engen Flur bewegt, es klingt fast
immer gleich. So authentisch die Räume und Landschaften grafisch auch
dargestellt werden, das Hörerlebnis ist doch meist das gleiche, egal ob
man in der Großstadt oder in der Wüste befindet, dabei weiß
doch jedes Kind schon seit
Alien, daß einen im Weltraum niemand
schreien hört. Ähnlich ist es bei der Lautstärke: In der
Nähe des in vielen Videospielen obligatorischen Wasserfalles wird man
sein eigenes Wort nicht mehr verstehen können, tritt, wenn man bei
klirrender Kälte in Windstiller Nacht einen zugefrorenen See betritt,
ein Spannungsbruch auf, wird man ihm noch kilometerweit hören - in der
Realität, aber nicht im Spiel.
3. Auch sind die Hintergrundgeräusche
fast immer statisch, der Spieler interagiert einfach nicht mit seiner
Umgebung: Poltert man schwer bewaffnet durch den Dschungel, wird es
wahrscheinlich totenstill werden oder einige Tiere ihre Artgenossen warnen.
Selbst wenn man dies selbst in einem Spiel zu hören bekommt, seine
Gegner oder andere NPCs tun dies meistens nicht, sie halten ihre Ohren noch
so verschlossen, auch wenn sie kilometerweit ‘sehen
können‘. Solche Abläfe wie die Tarnung in den
Umgebungsgeräschen oder die Möglichkeit, den Gegner durch
Geräusche abzulenken, sind meist nur Spielen wie Splinter Cell oder MGS
vorbehalten, in dessen Sneak-Genre so etwas einen Großteil des
Spielprinzips ausmacht, oder den wenigen mit höchstem Aufwand
produzierten Top-Titeln vorbehalten, wenn man von Rätsel-Einlagen a la
Myst, wo man auf klingenden Gegenständen eine bestimmte Melodie spielen
muß, einmal absieht.
Ich denke, im Bereich Audio sind noch viele Möglichkeiten für
innovative Konzepte und Spielideen ungenutzt. Statt krampfhaft zu versuchen,
die neuesten
Anzeige-Techniken ins Spiel zu bringen, sollten sich viele
Entwickler-Studios bei dem wenigen Ausnahme-Titeln eine Scheibe abschneiden
und neue interessante Hörerlebnisse schaffen. Wenn es nach mir ginge,
sollte man jedes Videospiel auch mit geschlossenen Augen durchspielen
können. Das würde sicherlich nicht nur die anspruchvolleren
Spieler, die vom ganzen Einerlei genug haben, sondern auch die vielen
sehbehinderten Menschen, die noch mehr als andere auf Unterhaltung in den
eigenen vier Wänden angewiesen sind, freuen.
Es gibt tatsächlich eine kleine Plattform, wo für Sehbehinderte
Computerspiele angeboten werden:
audiogames.net. Dort findet man rein
auditive Umsetzungen von Arcade-Klassikern wie PacMan, aber auch selbst
entwickelte Ideen im Bereich von Adventure und Geschicklichkeitsspielen wie
z. B.
Super Deekout und Modifikationen für existierende Spiele
wie
AccessibleQuake.
Ich empfehle auch den nicht sehbehinderten
Leuten, dort einmal vorbei zu surfen und sich das eine oder andere Game in
den Downloadmanager einzureihen! Aber Vorsicht, man stellt sich die Sache
meist einfacher vor, als sie tatsächlich ist. Die anspruchvolleren
Spiele stiften bei einem absolut ungeübten Gehör eine Menge
Verwirrung, ich empfehle daher, mit den minimalistischeren Spielen zu
beginnen.
Die großen Spiele-Entwickler sollten vielleicht darüber
nachdenken, ob ein extra Modus, der auf jegliche
Grafik verzichtet und einen ausschließlich mit Hilfe des Gehörs
durch die Level führt, nicht eventuell neue Käuferschichten
ansprechen und die Wiederspielbarkeit signifikant verbessern könnte.
Aber auch im Bereich der Handhelds sind interessante Spiele denkbar, die auf
teure kleine Displays verzichten könnten. Schaut man sich die vielen
unsäglichen Midlets (Java-Spiele fürs Handy) an, so ist die Idee
doch garnicht so abwegig, scheint mir. Ich würde jedenfalls all zu gern
einmal in der Bahn so ein kippenschachtelgroßes Gerät aus der
Tasche ziehen und mir während ich Buttons schrotte die gaffenden Leute
anschauen.
Naja, wenn das hier beschriebene denn bald auch endlich klappt, können
wir uns auch gern ainmal über Spracheingabe und ähnliches
unterhalten
- Obwohl, der DS macht das doch schon ganz gut! Löblich.