June 13, 2006 10:44 PM

Auf Leben und Tod

In Trauma Center: Under the Knife, eins der neueren innovativen Spiele für den Nintendo DS - nicht, daß ich etwas gegen den DS und seine in der Tat meist gelungenen und innovativen Spiele hätte - schlüpft man in die Rolle eines jungen Chirurgen und operiert mit Hilfe von Stylus und Touchpad Patienten sogar am offenen virtuellen Herz. So weit, so gut!
Je mehr Anzeigen und Reviews ich aber über das Spiel las, desto bekannter kam es mir vor.. Vor einiger Zeit fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Alles geklaut! Und zwar vom DOS-Spiel Life & Death aus den späten Achtiger Jahren. Gerade die Bemerkung aus der GEE, es eigne sich für Freunde von Dr. Bibber, dem Elektro-Brettspiel, bei dem man mit einer Pinzette verschiede "Organe" entnehmen mußte, ohne die "Wundränder" zu berühren, gab mir den entscheidenden Hinweis. Denn bei Life & Death ist es genau so unmöglich schwierig, mit der Mouse einen sauberen geraden Schnitt durchzuführen wie bei Dr. Bibber eine Runde zu überstehen, ohne den elektrischen Buzzer-Sound zu hören. Es gibt natürlich auch einige gravierende Unterschiede zwischen Trauma Center und L&D, besonders was die Präsentation betrifft. Während Trauma Center, soweit ich es anhand von Screenshots usf. ausmachen konnte, eher im kindlich fröhlichen Manga-Stil gehalten ist und wohl auf die Zielgruppe, deren Vokabular das Wort "Ärzte-Streik" noch nicht beinhaltet (mein Favourite für das Unwort des Jahres), ausgerichtet ist, kommt L&D ziemlich nüchtern und dystopisch daher. Zwar besitzen die Krankenschwestern mindestens so viel Oberweite wie in Trauma Center, sie geben sich aber dennoch recht hölzern und zugeknöpft (sic!).
In L&D hat man es hauptsächlich mit PatientInnen zu tun, die man so wohl auch im rauhen Krankenhausalltag im realen Leben antreffen kann - Ergraute Herren jenseits des Pensions-Alters, die es "mit der Prostata haben" und unförmige Hausfrauen um die 40, die ihren Frust in Wampe umgesetzt haben. Man spielt auch nicht den Halbgott in weiß, dem sich alle Welt zu Dank verpflichtet fühlt, weil man eigenhändig diesen oder jenen Super-Bazillus bekämpft, sondern den mickrigen Assistenz-Arzt, dem man die ganze unliebsame Arbeit, die bei einem solchen Unterfangen so anfällt, aufladen kann. Die Fälle, mit denen man es zu tun bekommt, sind wenig glamourös: Nierensteine, Unteleibsentzündungen, Blinddarm!
Wie dieser Tage überall in den Medien zu sehen und zu lesen, hetzt man von Zimmer zu Zimmer, von Untersuchung zu Untersuchung, soll möglichst nie einen Fehler begehen und wird vom Oberarzt zu Schicht-Ende auch noch vor all seinen Kollegen zur Sau gemacht, weil man es versäumt hat, nebenbei auch noch die Verwaltungsarbeit zu erledigen oder, viel schlimmer, sich nicht auf der Stelle bei einem der VIP-Ärzte gemeldet hat, die einen kurz vor einer wichtigen OP immer wieder gern anpiepen.
"Kostenplan" ist das Stichwort! Wer sich zu viel Zeit bei der Untersuchung nimmt und nicht haargenau an die Vorgaben hält, wird vom Chef extra noch einmal zusammen gestaucht, weil Zeit und Personal knapp sind - und sich die schrecklich leidenden Patienten beschwert haben, man hätte ihnen absichtlich so lang den geschwollenen Bauch abgetastet. Niemals jedoch sollte man es wagen, die Kardinal-Sünde zu begehen und das (einigen LeserInnen vielleicht aus Monty Pythons "Der Sinn des Lebens" bekannte) ungeheuer teure Gerät mit dem Biiieeepp einzusetzen. Also, Life&Death ist eher etwas für Desillusionierte, denn auch das eigentliche Ziel des Spiels, nämlich erfolgreich eine Operation hinter sich zu bringen, ist ohne das Wissen und die motorischen Fertigkeiten eines echten Chirurgen kaum zu bewältigen. Jeder Schritt, vom Desinfizieren der Hände bis zum Zunähen muß sitzen, hat man es so weit geschafft, daß man mit dem Skalpell zum ersten Schnitt ansetzen kann, ist das schon ein Grund zur Freude.
Das Spiel eignet sich also nur für seeehr Geduldige und jene, die gern Dr. Frankenstein nacheifern, denn das schreckliche Gequäke, das aus dem Hardware-Lautsprecher dringt, vergißt man einmal die Narkose vor der OP, läßt Zartbesaiteten garantiert Mark und Bein erschüttern ;) Zum Abschluß noch die spezielle bebilderte That’s Write-Anleitung zum Spiel: "In fünf einfachen Schritten zum Trauerfall"!
Screenshot - Life and Death Screenshot - Life and Death Screenshot - Life and Death Screenshot - Life and Death Screenshot - Life and Death

Author: nille | Permalink | Category: games