July 07, 2007 1:23 AM

Nomen est Omen

Um es vorweg zu nehmen, "Vigil - Blood Bitterness" macht seinem Namen alle Ehre und so ziemlich alles falsch, was man als Adventure-Spiel nur falsch machen kann, obwohl es seit Jahrzehnten Titel gibt, die zeigen, wie es richtig geht. Ebenso gibt es genug Adventures, die dem Entwickler als abschreckendes Beispiel hätten dienen können *hust*Gabriel Knight 3*hust*. Screenshot - Vigil Doch zurück zum Beginn: Nachdem man sich durch gefühlte 27 Menüs gehangelt und ein Profil angelegt hat (typisch unmanierliches Verhalten der Game-Jugend von heute), läßt einen ein verstörendes Intro-Video, mehr Fragen aufwerfend als erklärend, in der Haut des Protagonisten Dehon zurück. Das ist, wie beispielsweise auch in Cosmology of Kyoto, vollkommen in Ordnung so, denn die Bedienung ist kinderleicht und im wahrsten Sinne des Wortes Point & Click: Mit einem Links-Klick begibt sich die eigene Spiel-Figur zu dem Punkt, auf den die Mouse zeigt, der rechte Button sorgt für Interaktion mit Objekten, öffnet Türen oder läßt den monströsen Dehon demütig zum Gebet vor Altären oder Emblemen niederknien. Das war's - kein Inventar, keine Menüs für zusätzliche Befehle, kein Schnickschnack. Screenshot - Vigil Schätzungsweise 2 Stunden später sollte man dann eigentlich den Abspann zu Gesicht bekommen. Sollte. Eigentlich.
Denn auf dem Weg zum Ziel, der Flucht aus dem einer Kathedrale, einem Schloß oder einem Kloster ähnlichen Gebäude durch überdimensionale Versammlungsräume, lange Kreuzgänge, eine Bibliothek und enge Schlafgemächer, durch gotische Torbögen, Geheimtüren oder über Brücken, die sich über bodenlose Abgründe spannen, wird man viele Fehler begehen.
Der unstillbare Hunger, arglose Schritte, auf den Auslöser einer tödlichen Falle oder über den Rand einer Plattform in luftiger Höhe, Kontakt mit (manchmal unsichtbaren) Manifestationen des puren Bösen werden zum sofortigen Ableben1 des Spielers führen. Mehrfach. Wieder und wieder und wieder. Screenshot - Vigil Dieses wiederholte Scheitern ist Teil des Konzeptes des Spiels und könnte für den Spieler oder die Spielerin durchaus ein denkwürdiges Erlebnis sein, wenn man nicht das gesamte Level von Neuem beginnen müßte.
Das ist der Punkt, an dem man beim Spielen einen leicht bitteren Beigeschmack wahrnimmt, denn die eigentlich wenig umfangreichen Level wollen nach einem exakt festgelegten Schema durchschritten werden.
Man ist gezwungen, immer wieder die gleichen stupiden Tür- und Schalter-Rätsel zu lösen, wobei bestimmte Schalter sich erst aktivieren lassen, Fallen erst entschärft werden, wenn man an anderer Stelle einen Hinweis in Form der prominenten blauen Zettel oder eines getriggerten Videos erhält - auch wenn einem die Lösung längst bekannt ist.
Eine Möglichkeit, den Fortschritt zu speichern, gibt es nicht. Screenshot - Vigil Dieses Vorgehen erhöht die Spielzeit um ein Vielfaches - Ebenso wie den Frust, zumal das vorzeitige Ableben all zu oft dem miesen Pathfinding oder dem abrupten, zugegeben, auch zur Stimmung beitragenden, Wechsel der Kamera-Perspektive, nicht der eigenen Unfähigkeit, geschuldet ist. Screenshot - Vigil "Vigil - Blood Bitterness" erweckt den Eindruck, daß es sich eher um eine erste Konzept-Demo denn um ein fertiges Produkt handelt.
Die ausgefallene Schwarz-Weiß-Ästhetik (die jedoch 128 MB Video-Ram voraussetzt), die gelungene Ton-Gestaltung, die nicht nur die erdrückende Stimmung unterstreicht, sondern der sich stellenweise auch Status-Informationen entnehmen lassen und die stark mystifizierte tragische Geschichte um vier Brüder, die sich und andere gottähnliche Wesen gegenseitig umzubringen suchen, mit dem Bösen paktieren, um Chaos und um die Ordnung ringen, die es zu entwirren gilt - All das lädt eigentlich dazu ein, das Spiel mehr als nur ein Mal durch zu spielen..
Angesichts der miserablen Qualität des Spiels scheint es allerdings zweifelhaft, ob dieser Einladung viele Menschen folgen, geschweige denn Geld für weitere Episoden ausgeben werden. Screenshot - Vigil 1)Für GamerInnen, die in frühester Jugend nachhaltig durch den plötzlichen Tod nach stundenlangem Spielen von Conquests of Camelot ohne zu speichern traumatisiert wurden, dürfte die Aussicht auf ein mögliches Ableben in einem Adventure allein schon eine Kardinalssünde darstellen ;)

Author: nille | Permalink | Category: games