December 10, 2007 5:09 AM

Parallel-Gesellschaft

Es tut mir furchtbar leid, daß ich euch diese schreckliche Nachricht überbringe, aber einer muß den Job ja schließlich machen: SimCity ist tot! Die Serie von Spielen, in denen man als Stadtplaner, Landschaftsarchitekt, Bürgermeister und Herrscher über Naturgewalten und biblische Plagen agieren konnte, wurde von nun endgültig von EA assimiliert und als quietschbunter Sims-Klon wiedergeboren.
Vorbei sind die Zeiten, in denen man sich stundenlang in Graphen und Statistiken verlieren konnte, um das Optimum an FUNDs aus der städtischen Wirtschaft heraus zu quetschen und in die Erschließung neuer Gebiete oder monumentale Bau-Projekte zu reinvestieren.
SimCity war in meinen Augen immer der Versuch, eine durch und durch urbane Welt zu erschaffen. In SimCity konnte man den Traum jedes Science-Fiction-Autors, ein globales Metropolis, einen Planeten, dessen Kruste aus Beton, Glas und Stahl bis in das Weltall strahlt, verwirklichen. Im neuesten Teil, Societies, bestückt man nun einen Schau-Kasten mit kleinen Puppenhäuschen, dessen Bewohner sich prima mit den Teletubbies™ verstehen würden.

Screenshot - SimCity Societies

Naja, ich neige jetzt ein wenig zur Übertreibung. - Es handelt sich schon in einem gewissen Sinne um eine Weiterentwicklung des Spiel-Prinzips aus SC4, nur, meiner Meinung nach, an der völlig falschen Stelle angesetzt.
Nicht erst seit den Sims geistert die Idee, daß Erfolg und Scheitern des Spielers von der hinreichenden Befriedigung der sozialen Bedürfnisse seiner virtuellen Untertertanen abhängen soll, durch das Sid Meier-Universum. Schon in SimGolf dreht sich alles darum, ob die Besucher auf den Golf-Kursen ihren Spaß haben: Haben sie wiederholt Schwierigkeiten, ein Hindernis zu überwinden, bekommen sie einen unsympathischen Partner zugewiesen, finden sie nicht genug Zerstreung durch Celebreties oder Landmarken, gefällt ihnen die Farbe eines Blumenbeetes nicht, sinkt ihre gute Laune - Und das macht sich dann auch ziemlich bald in der Kasse des Clubs bemerkbar. So läuft es auch in SimCity Societies: Die Bürger arbeiten deutlich produktiver, wenn man eine attraktive Infrastruktur, wie Schulen, öffentliche Parks, Theater, Krankenhäuser usw. usf., für sie bereit stellt.
Im Gegensatz zu den älteren Titeln, schöpft jedoch in Societies scheinbar jedes einzelne Gebäude aus einem globalen Resourcen-Pool. Fabriken beispielsweise verringern die verfügbare Arbeitskraft, erhöhen dafür allerdings den Reichtum.
Das geschieht jedoch losgelöst von den individuellen Sims. Es kommt anscheinend auf die Gesamtzahl eines Gebäude-Typs an, nicht immer darauf, ob sich dieses Gebäude auch in der unmittelbaren Nachbarschaft befindet. Wichtig ist nur, daß die Bewohner in ausreichend Kontakt mit Örtlichkeiten kommen, an denen sie sich vergnügen können und so auch bei der Arbeit zufriedener sind und so dem Staats-Säckerl mehr Steuern zuführen können.

Screenshot - SimCity Societies

Über die Wasserversorgung muß niemand mehr einen Gedanken verlieren. In diesem, wie auch vielen anderen Bereichen, wurde das Spiel massiv simplifiziert, oder viel mehr amputiert: Flug-, Bahn- und Schiffsverkehr, die Gelände-Werkzeuge, die verschiedenen Zonen, Verordnungen und Abgaben, Kredite, viele Graphen und Karten sowie einige Katastrophen wurden gestrichen. Die Schwierigkeit, eine florierende Stadt aufzubauen, liegt bei Null.
Im letzten Teil, SimCity 4, war jede Entscheidung ein Tanz auf dem Drahtseil: Führe ich ein Programm zur Lese-Förderung ein oder senke ich die Gehälter der Lehrer und baue dafür in einem privilegierten Stadtteil eine Universität? Ein wenig mehr Steuereinnahmen von Vielen oder viel mehr Steuern von Wenigen? Modernisiere ich jetzt das Kraftwerk oder warte, bis der Bedarf weiter steigt und baue dann ein größeres und zuverlässigeres?

Screenshot - SimCity Societies

Traf man eine Fehlentscheidung, bekam man unmittelbar die Folgen zu spüren: Häuser verfielen, die Struktur des betroffenen Gebietes veränderte sich merklich. Es herrschte schnell Ebbe in der Kasse und Gebäude mit hohen Betriebskosten mußten auch so manches Mal wieder abgerissen werden, um nicht in den Ruin zu sinken.
Bei SC:C erlebt man dies nicht, eine Bankrotterklärung mußte ich noch nie unterschreiben. Jedes einzelne Gebäude muß von Hand platziert werden, das Stadtbild ändert sich kaum. Es sei denn, man fängt an, radikal andersartige Gebäudetypen zu bauen, dann ändert sich das "Thema" der Stadt - Die Straßen bekommen dann einen neuen Skin, die Häuser andere Verzierungen und der Himmel wird, je nachdem, etwas düsterer oder heller.

Screenshot - SimCity Societies

Der Einfall, dem Spiel viele neue Spezial-Gebäude mit besonderen Eigenschaften sowie soziale Resourcen hinzu zu fügen, sodaß man seiner Stadt einen viel individuelleren Ton geben kann, ist an sich nicht schlecht. Darunter sollten jedoch nicht die Spiel-Elemente leiden, die bisher den eigentlichen Flair von SimCity ausgemacht haben. So ist aus einer historischen Altstadt ein moderner Großstadt-Slum geworden. Ich fordere: Denkmalschutz für Spiele! ;)

Author: nille | Permalink | Category: games