Mai 04, 2005 7:52

Schlecht geklont

Schlecht geklont. So nennt sich eine Rubrik im Magazin der Frankfurter Rundschau, in der regelmäßig zwei Portraits von zwei Politikern, Wirtschaftsbossen oder anderen bekannten Persönlichkeiten neben einander gestellt werden. Das ist für sich genommen eigentlich nicht gerade witzig oder informativ.
Wenn dabei aber Personen zusammenkommen, die in der Wirklichkeit Positionen vertreten, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, und dort wie ein eieiiges Zwillingspaar mit der gleichen Mimik und Gestik abgebildet werden, wirkt das auf mich unglaublich grotesk, wie aus einem parallelen Universum, in dem alles umgekehrt zu unserer Welt verläuft. Ich erwische mich dabei immer beim Nachdenken darüber, ob die beiden nicht doch in irgend einem Bereich des Lebens auf einer Linie liegen könnten. Ähnlich verhielt es sich als ich vor ein paar Tagen einen Screenshot von Konamis in der Entwicklung befindlichem Konsolen-Shooter Killer 7 auf dem Bildschirm sah und vor mir auf dem Schreibtisch die CD-Hülle von Interstate 76 lag. Ich dachte sofort: "Schlecht geklont!".
Killer 7
Screenshot Interstate 76
Screenshot Auf der einen Seite könnten die beiden Games nicht verschiedener sein, Interstate ein Action-Rennspiel-Mischling, Killer 7 ein (Ego?)Shooter. Interstate ein 97er PC-Klassiker, 3d-Spiel erster Generation, Killer 7, noch nicht einmal in den Regalen, entwickelt für die sogenannten NextGen-Konsolen.
Für zwei Spiele verschiedener Genres, aus unterschiedlichen ‘Epochen‘ und auf anderen Platformen ergeben sich allerdings auf den zweiten Blick frappierende Ähnlichkeiten.. Die Optik und Ästhetik stimmt ziemlich gut überein, denn I76 war damals Top-Notch-Ass-Kicking-3D-Grafik, K7 will anscheinend mit seinem Retro-Cel-Shading-Look und seinen klobig eckigen Models dieser Ästhetik nacheifern. Beide Spiele sind auch ganz ähnlich inszeniert: Alles ist hart und brachial und gleichzeitig überzogen, manchmal komisch, auf bestimmte Symbole reduziert. Auf der einen Seite gibt es die düsteren Männer mit elegant teuer wirkenden Anzug, Wrestler-Maske und riesigen Kanonen, auf der anderen die machistischen Disco-Typen in enger Schlaghose und mit Goldkette, Afro, Sonnenbrille und aufgemotzten und schwer bewaffneten Muscle-Cars gerüstet. Beide stehen breitbeinig in einer bis auf die wenigen monumentalen Landschaftsmerkmale leergefegten Wüste unter einem weiten wolkigen Himmel. Dort harren sie ihrem Schicksal, scheinbar haben sie nichts zu verlieren und wollen einzig ihren Wunsch nach Rache erfüllen. Sie sind der Lonesome Cowboy in der Endzeit-Wüste, einer Arena, die ihr früheres Umfeld verschlungen zu haben scheint. Beide sind auf dem gleichen Trip ohne Wiederkehr, folgen dem selben Instinkt, werden gleichwertig, obwohl der eine vorher ein Milchbubi und der andere ein abgekochter Profikiller war.
Dem Spieler wird damit die Möglichkeit geboten, einen Augenblick den Kampf gegen seine eigenen Dämonen ruhen zu lassen und der Welt, in der man immer eine vernünftige Lösung finden muß, den Rücken zu kehren, den beiden einsamen Wölfen auf dem Pfad der Rache zu folgen, in dem man mit Vollgas durch die Wüste brettert oder seine beiden big fucking Guns durchlädt. Bitte schalten Sie auch nächste Woche wieder ein, wenn es heißt: "Videospiele interpretieren für Dummies, Teil 2" ;)

Author: nille | Permalink | Category: games