July 27, 2007 2:27 AM

SETI

Achtung, dieser Eintrag steht nicht unter der Creative Commons-Lizenz, das heißt, er darf nicht verändert oder kopiert werden! Schluß mit lustig - Jetzt soll es hier auch einmal um ein ernsteres Thema als Videospiele gehen. Laut Wikipedia beteiligen sich circa 250.000 Personen an der Suche nach extraterrestrischer Intelligenz. Zumindest werten 250.000 SETI@home-Clients auf PCs von Privat-Personen regelmäßig Radio-Informationen aus, die das Arecibo-Teleskop aufgezeichnet hat.
Wer ein paar genauere Informationen zum SETI@home-Projekt, zum Beispiel über die tatsächlichen Erfolgsaussichten, zu finden hofft, wird leider sowohl von der offiziellen Website, wie auch der deutschsprachigen Wikipedia und den ersten Google-Ergebnisseiten einigermaßen enttäuscht. Einzig im Forum von SETI.Germany stieß ich auf einen Link zu einem äußerst lesenswerten Artikel (PDF) zu dem Thema.
Dessen Autor, Prof. Dr. Karl Meinzer von der Universität Marburg und aktiv bei AMSAT Deutschland war freundlicherweise bereit, mit mir und den LeserInnen und Lesern dieses Blogs einige, soviel nehme ich vorweg, überraschende Einsichten über SETI zu teilen, wofür ich mich herzlich bedanken möchte.
Wer ist an der Suche nach extraterrestrischer Intelligenz beteiligt, wird die SETI-Forschung in der Hauptsache von Physikern durchgeführt oder haben auch Biologen, Soziologen und andere Naturwissenschaftler nennenswerten Einfluß?
Prof. Dr. Meinzer: Mir ist nicht bekannt, wer noch neben dem von Ihnen erwähnten SETI@home z. Zt. mit welchem Aufwand SETI-Forschung betreibt. Es hatte mal von der NASA vor dreißig Jahren eine SETI-Initiative, die ziemlich interdisziplinär angelegt war, gegeben. Sie hat 1977 zur NASA-Veröffentlichung SP-419 geführt.
Dieser Studie ist auch heute noch lesenswert. Der physikalisch-ingenieurmäßige Bereich war aber m. E. nicht gut vertreten, so daß man zu technischen Schlußfolgerungen gekommen ist, die ich nicht teile und auf Grund derer man die Situation eines zufälligen Empfangs viel zu optimistisch beurteilt hat. Soviel ich weiß, hat es danach von der NASA keine nennenswerten Bemühungen mehr gegeben. Außerdem gibt es ein Projekt in der Ukraine, näheres darüber weiß ich nicht. Welche Erkenntnisse erhoffen sich Forscher von einem möglichen Kontakt mit intelligenten extraterrestrischen Wesen? Bestehen Thesen, die man zu verifizieren hofft? Geht es eher um technisch-physikalische oder um sozio-kulturelle Fragen? KM: Ich denke es geht um die ganz grundsätzliche Frage, ob die Menschheit einzigartig ist oder ob intelligentes Leben häufiger vorkommt. Ein solcher Kontakt würde unsere gesamte philosophische Existenzgrundlage verändern. Wie könnte eine empfangene 'Botschaft' beschaffen sein? Wie viele Informationen können überhaupt während eines Sende- oder Empfangsvorgangs übertragen werden? KM: M. E. ist diese Frage zweitrangig: Die Tatsache einer solchen Botschaft allein wäre schon das wichtige Ereignis. Selbst wenn nur wenige bit/s übermittelt werden, könnte die Botschaft sehr lange dauern und trotzdem somit eine große Datenmenge übertragen werden. Einige Schriftstücke aus den Anfängen der menschlichen Historie lassen sich bis heute immer noch nicht entziffern - Wie hoch schätzen Sie die Möglichkeit ein, daß sich übertragene Informationen nicht entschlüsseln lassen, weil möglicherweise außerirdische Zivilisationen nicht auf der Basis von Abstraktion durch Bilder und Schrift kommunizieren? KM: Wie ich in meinem AMSAT-Journal Artikel gezeigt habe, ist es praktisch ausgeschlossen, daß wir Sendungen empfangen, die nicht für uns gezielt bestimmt sind. Wenn aber Sendungen gezielt für uns erzeugt werden, wird man diese sicher so konstruieren, daß sie selbstentschlüssend oder selbsterklärend lesbar sind. Dann stellt sich das obige Problem hoffentlich nicht. In astronomischen Dimensionen betrachtet, sind wir erst seit äußerst kurzer Zeit in der Lage, Radio-Signale zu senden und zu empfangen, Wie hoch sind die Chancen, daß sich in unserem 'Sichtfeld' eine Zivilisation befindet, die auf einem ähnlichen Entwicklungsstand befindet, wie wir? KM: Diese Chnace ist praktisch Null. Die zentrale Frage ist, wie groß die Lebendauer technischer Zivilisationen ist. Wir haben seit ca. 100 Jahren eine Zivilisation, die die Grundbedürfnisse ihrer Einwohner durch technische Mittel soweit gelöst hat, daß ein Teil der Menschen ganz gut leben kann, aber nach 100 Jahren stoßen wir schon an die Endlichkeit unserer Resourcen. Selbst gemessen daran, daß es seit ungefähr ca. 500.000 Jahren Menschen gibt und seit ca. 10.000 Jahren eine elemenatare Zivilisation, sind diese 100 Jahre extrem kurz. Es ist daher unklar, wie lange die Menschen es verstehen werden auf der Erde zu überleben. Nehmen wir mal an, daß 100.000 Jahre möglich sein: da zeitlich gestaffelt seit ca. 10 Mrd. Jahren Bedingungen um Sterne herrschen, die so etwas wie unsere Erde ermöglichen, ist die Wahrscheinlichkeit, daß zwei Zivilisationen in der 'Nachbarschaft' sich mit ihren jeweiligen 100.000 Jahren Zivilisation überlappen, nur ca. 1:100.000. Ändern würde sich das nur, wenn Zivilisationen in den Welraum vorstoßen und sich auf diese Weise verbreiten und Ableger bilden. Aus diesem Zeitfenster-Argument folgt auch, daß wir bei einem Kontakt mit Sicherheit annehmen können, daß eine Zivilisation, die wir treffen, weiter in ihren 100.000 Jahren fortgeschritten sein würde als wir mit unseren 100 Jahren technischer Zivilisation. Allerdings wurde bisher stillschweigend vorausgesetzt, daß Nachrichtenaustausch nur mit elektromagnetischen Wellen möglich ist. Seit 100 Jahren haben wir auch das Paradigma, daß Kommunikation schneller als das Licht nicht möglich ist und daß dazu Energie übermittelt werden muß.
Vor etwas mehr als 100 Jahren glaubte man schon mal alles über die Physik zu wissen, bis dann Einstein und Planck alles bisherige Wissen relativiert haben. Als Folge davon haben wir nun in den 100 Jahren danach eine mathematische Beschreibung der physikalischen Welt gefunden, die zweifelsfrei alles richtig zu beschreiben gestattet. Aber eine Eigenart dieser Beschreibung ist, daß sie kein Modell der physikalischen Realität liefert.
Ich bin daher nicht sicher, ob man nicht doch irgendwann ein Modell findet, daß dann auch gestattet, die Bechränkungen, die wir heute als unumgänglich ansehen, zu umgehen. Wenn sich so z. B. eine Kommunikationstechnik schaffen ließe, die nicht durch die Lichtgeschwindigkeit oder den Energiebedarf so stark beschränkt wäre wie die mit elektromagnetischen Wellen, können wir davon ausgehen, daß andere Zivilisationen diese auch gefunden haben. Dann wäre aber die Wahrscheinlichkeit, durch elektromagnetische Wellen eine Zivilisation zu entdecken, absolut Null: unsere jetzige Technik wäre dann so antiquiert, als wenn man mit Buschtrommeln von Europa nach Amerika telefonieren wollte. Zusammenfassend:
1. Elektromagnetische Wellen haben kein Reichweite über interstellare Distanzen, wenn nicht auf beiden Seiten aktiv und mit großem Aufwand gezielt an diesem Kontakt gearbeitet wird. Und selbst dann sind nur einige wenige 10 Lichtjahre möglich.
2. Die Wahrscheinlichkeit, daß sich zwei Zivilisationen gleichzeitig in einem Entwicklungstadium befinden in dem sie miteinander sprechen können, ist verschwindend gering.
3. Nach 100 Jahren technischer und physikalischer Entwicklung zu glauben, daß wir alles Wesentliche wissen, scheint mir vermessen. Ein besseres Physikverständnis könnte Methoden liefern, mit denen interstellare Kontakte wesentlich leichter und schneller möglich sind. Dann wären alle Versuche, mit elektromagnetische Wellen solche Kontakte herzustellen, ein ungeeignetes Mittel und völlig hoffnungslos. SETI@home hat 'massive grid-computing' maßgeblich zu großer Popularität verholfen, sodaß heute sogar auf Spiele-Konsolen für die Wissenschaft gerechnet wird. Mit der BOINC-Plattform wurde nun auch 'Mitstreitern' die Tür geöffnet. Behält SETI die Nase vorn oder hat man Angst, daß andere dem Projekt den Rang ablaufen könnten? War die Suche nach E.T. am heimischen PC vielleicht nur der Aufhänger, um weniger romantischen Projekte wie der Alzheimer-Forschung den Weg zu ebnen? KM: Wie ich in meinem Artikel ausgeführt habe, sehe ich für SETI@home keine technisch-rationale Basis. Daher erfüllt es für mich auch nicht die Kriterien einer wissenschaftlichen Tätigkeit. Auch glaube ich nicht, daß ein Bezug in irgendeiner Form zu anderen wissenschaftlichen Tätigkeiten, z. B. Alzheimer-Forschung, besteht. Ich sehe es mehr als eine idealistische Hobby-Tätigkeit, die mehr von Wunschdenken als von wissentschaftlichen Erwägungenen getrieben wird. Wie werden, ihrer Meinung nach, solche Projekte in der Öffentlichkeit wahrgenommen? Glauben Sie, daß die Teilnahme an SETI@home oder Berichte in den Medien dazu beitragen, daß sich mehr Menschen für wissenschaftliche Arbeit interessieren? KM: Ich weiß nicht, ob SETI@home öberhaupt in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird - ich habe nicht den Eindruck. Wie hoch ist die Akzeptanz von SETI-Projekten innerhalb der Wissenschafts-Szene, in welchem Verhältnis steht SETI zu physikalischer Grundlagenforschung? KM: Ich kann hier nur für mich und einen kleinen Kreis meiner Bekannten sprechen: Wegen der oben angeführenten drei Punkte hat SETI nur einen extrem geringe Erfolgsaussicht. Allerdings wäre ein Erfolg im wahrsten Sinne des Wortes weltbewegend. Es ist so ähnlich wie Lottospiel: So lange es nicht zu viel kostet, kann man es 'just for fun' machen; man sollte aber einen Gewinn nicht zum Teil der Lebensgestaltung einplanen. Die meisten Leute werden daher keinen Aufwand investieren wollen, wenn die Erfolgsausichten so gering sind. Es hilft ja auch nicht, wenn man wohl bewußt die Augen vor der Realität verschließt oder technisch unbedarft ist, um SETI zu betreiben, denn Wunschdenken ist für mich kein Erfolgsrezept. Was bewegt Sie persönlich, sich mit SETI zu beschäftigen? Und - Haben Sie 'Solaris' gelesen? ;) KM: Ich betrachte mich nicht als SETI-Forscher; für mich war das nur eine interessante intellektuelle Spielerei in unserem AMSAT-Umfeld. Durch unsere Marsmission habe ich durch die AMSAT ja Zugriff auf relativ große Antennen (Weilheim und Bochum) bekommen. Da war es ja ganz natürlich, mal auszuloten, ob und unter welchen Bedingungen diese Antennen für SETI einen Stellenwert haben könnten. Das Ergebnis habe ich in dem AMSAT-Journal Artikel veröffentlicht in der Hoffnung, solche Benühungen auf eine rationale Basis zu stellen. Das wesentliche Ergebnis ist: Wenn man überhaupt Energie in ein solches Projekt stecken möchte, dann gibt es zwingende technische Gründe dies an der oberen Grenze des Radio-Fensters tun, und dort sollte man dann aktiv senden. Den 'Radio-Krach' anderer Zivilisationen hören zu wollen beruht auf Wunschdenken und ist technisch absolut unmöglich.

Author: nille | Permalink